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Ausgabe 1 - Juni 2013 |
Qualität trotz Zeitmangel – und ihr Preis
Autorin: Katja Naschenweng
In der ersten Ausgabe des BEBEK-Reports berichten
wir von Julia[1], einer
Kindergartenpädagogin die in einem Kindergarten namens Regenbogenhaus[2]
in Kärnten arbeitet. Wir werfen einen Blick auf Julias Arbeitsalltag mit vielen
mehrsprachigen Kindern, erfahren warum sie so viel Wert auf die Zusammenarbeit
mit Eltern legt und wie sie trotz Zeitmangels vorbildliche frühpädagogische
Arbeit leistet. Und wir erfahren etwas über die schlechten Rahmenbedingungen in
unseren Kindergärten und welche Auswirkungen sie haben können.
Schlüsselwörter: Mehrsprachigkeit und
Vielfalt – Zusammenarbeit mit Eltern – Vorbereitungszeit – schlechte
Rahmenbedingungen im Kindergarten
Das Regenbogenhaus
Es ist 06:30h als Julia den Kindergarten
Regenbogenhaus betritt. Gut zwei Drittel ihrer dreißigjährigen Dienstzeit als
Kindergartenpädagogin hat sie in diesem Haus verbracht, hier leitet sie eine
von drei Gruppen mit je rund 20 Kindern. Julia liebt ihre Arbeit, sie ist
Kindergartenpädagogin „aus Berufung“, sagt sie. Ihr ist sehr bewusst, wie
wichtig ihre Arbeit für die Kinder und auch für deren Eltern ist, wie viel
Verantwortung sie trägt, wie viel Einfluss sie auf die Entwicklung der Kinder
nehmen kann.
Auf dem Weg zu ihrem Gruppenraum kommt sie am Büro
der Leiterin vorbei, vor dem ein Plakat hängt, auf dem in verschiedenen
Sprachen das Wort „Willkommen“ steht. Denn das Regenbogenhaus ist ein
Kindergarten, den viele Kinder aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte
besuchen, rund 70 Prozent der Kinder sprechen eine andere Erstsprache als
Deutsch.
Mehrsprachigkeit
Julia versucht im Rahmen ihrer Arbeit den Kindern und Eltern beste Bedingungen zu bieten,
auf sie einzugehen, zu helfen und zu fördern – ganz unabhängig davon, wo diese
Menschen geboren sind. Wie ihre Kolleginnen hat auch Julia während ihrer
Ausbildung nichts über die Arbeit mit mehrsprachigen Kindern aus zugewanderten
Familien gelernt. Das Fachwissen, das sie hat, hat sie sich größtenteils selbst
angeeignet, weil auch die Möglichkeiten für Fortbildungen in diesem Bereich
begrenzt sind. Julia interessiert sich zudem auch für die verschiedenen Länder
aus denen die Familien kommen, die ihre Kinder zu ihr in den Kindergarten
bringen, für ihre Sprachen, Religionen, Bräuche. Es liegt ihr viel daran, wie
es ihnen hier in Österreich geht und wie sie als Kindergartenpädagogin dazu
beitragen kann, dass diese Menschen hier ein Stück Heimat finden.
Und sie berichtet, dass man sich auch dann
miteinander unterhalten kann, wenn man verschiedene Sprachen spricht – auch
wenn das nicht immer einfach ist. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg:
„Natürlich ist es
manchmal auch anstrengend, wenn man einander nicht versteht und keine
gemeinsame Sprache hat. Aber irgendwie funktioniert es immer, mit Händen und
Füßen, mit Zeigen, mit Hilfe von anderen Eltern, die übersetzen. Man braucht
irgendwie für jeden seine eigene Sprache, muss sich auf die einzelnen Leute
einstellen und sie wahrnehmen. Und
wenn nichts geht – ein Lächeln geht immer und das kommt auch immer an.“
Zusammenarbeit mit Eltern
Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist für Julia
ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit. „Im Regenbogenhaus geht ohne Eltern
gar nichts. Eltern und Pädagoginnen müssen an einem Strang ziehen und die Kinder
gemeinsam richtig fördern“, sagt sie. Damit meint sie, dass es für sie
besonders wichtig ist mit den Eltern in ständigem Kontakt zu sein, sodass sie
gemeinsam mit ihnen das Beste für die Kinder erreichen kann. Das morgendliche
Tür-und-Angel-Gespräch ist der tägliche Anknüpfungspunkt zwischen Elternhaus
und Kindergarten. Was gibt es Neues, ist etwas Besonderes geschehen, wie fühlt
sich das Kind? Stück für Stück erfährt Julia so auch viel von den
Familienbiographien und von den Lebenssituationen, von Besonderheiten und
Schwierigkeiten der Familien. Solche Informationen von den Eltern ermöglichen
es Julia auf jedes Kind einzugehen.
Zu wenig Zeit...
Beim Kontakt zu den Eltern tut sich aber immer
wieder ein Zeitproblem auf, das Julia zu schaffen macht. Sie würde gerne
regemäßige offene Treffen mit den Eltern organisieren, bei denen mehr Zeit ist
sich auszutauschen als am Morgen, wenn schon andere Eltern warten und nebenbei
die Kinder beaufsichtigt werden müssen und organisatorische Dinge ihren Raum
fordern. Aber dafür reicht die Zeit, die ihr zur Verfügung steht schlichtweg
nicht aus. Die PädagogInnen haben ein knappes Zeitkontingent zur Verfügung und
Überstunden, die durch solche Elterntreffen zustande kommen würden, werden nur
begrenzt genehmigt. Jede Minute wird gezählt und viele der notwendigen
Vorbereitungen für die tägliche reguläre Arbeit macht Julia zu Hause in ihrer
Freizeit. Es ist ihr sehr wichtig, dass sie qualitätsvolle Arbeit leistet. Doch
diese Qualität kann sie nur dann erreichen, wenn sie auch ihre Freizeit
unentgeltlich dafür verwendet. Mehr als eine Stunde Vor- bzw.
Nachbereitungszeit pro Tag wird nicht bezahlt, außer bei „angeordneten“
Veranstaltungen, wie zum Beispiel dem Elternabend am Beginn des
Kindergartenjahres. Und damit hat Julia noch Glück, denn viele ihrer
KollegInnen in Kärnten haben überhaupt nur mehr eine halbe Stunde pro Tag für
Vor- und Nachbereitungen zur Verfügung.
Ausflüge mit Eltern und Integration
Heute weist Julia die ankommenden Eltern auf ein
großes Plakat hin, das sie in der Garderobe aufgestellt hat. Mit Fotos und
Zeichnungen dekoriert kündigt das Plakat einen baldigen Ausflug an, den die
Gruppe gemeinsam mit den Eltern machen wird: eine kleine Wanderung an einem
nahegelegenen See ist geplant. Schon vor einer Woche hat Julia Einladungen an
die Eltern ausgegeben, in drei Tagen soll der Ausflug nun stattfinden. Sie hat
viele Einzelgespräche geführt, versuchte
jedem Elternteil zu erklären wohin sie fahren will, was dafür benötigt wird und
Fahrgemeinschaften organisiert. Wie jedes Jahr war das auch heuer ein sehr
anstrengendes Unterfangen, aber Julia misst diesem ersten Ausflug im Herbst
eine große Bedeutung bei:
„Wenn die Eltern da mitfahren,
miteinander in Kontakt kommen und beim Ausflug sehen und spüren wie ich
arbeiten will und was ich vermitteln möchte, dann „habe“ ich sie. Dann
verstehen sie mich und die weitere Zusammenarbeit wird um vieles leichter. Ich denke auch, dass es wichtig ist etwas mit den
Eltern zu erleben. Wenn man mit Eltern etwas erlebt, wenn das Kind etwas mit
den Eltern erlebt und in der Gruppe und mit uns Fachkräften (...), dann ist das
so ein tiefes Erlebnis. Das hast du mit allen Sinnen erlebt, das hast du mit dem
Körper gespürt, das sitzt dann ganz tief. Und da kommt dann eine richtige
Kommunikation heraus zwischen Kind und Eltern und Kindergarten. Die Kinder
fühlen sich wohl, die Eltern untereinander reden, der mag den und der mag den
und da ist eine ganz andere Harmonie. Und darauf kann man aufbauen, dann sind
sie nämlich offen für das, was ich mache.“
Die Rahmenbedingungen...
Das alles klingt nach vorbildlicher
frühpädagogischer Arbeit. Und das ist es meiner Einschätzung nach auch. Das
könnte es aber in noch viel höherem Ausmaß sein, wenn da nicht einige negative
Faktoren wären, die Julias Arbeit beeinträchtigen. Wir sind bei den
verbesserungswürdigen Rahmenbedingungen angelangt, die auch Julia zu schaffen
machen und sie immer wieder an ihre Grenzen bringen. Aus vielen Gesprächen und
Beobachtungen wurde mir sehr bald bewusst, dass pädagogische Arbeit in einer
Qualität wie Julia sie umsetzt, nicht mit den Mitteln und Rahmenbedingungen
erreicht werden kann, die die Kindergartenpädagoginnen in Kärnten zur Verfügung
haben. Die Vorbereitungszeit reicht längst nicht aus, um alles für den
Kindergartenalltag zu organisieren. Auch heute wird Julia wie
selbstverständlich nach Dienstschluss an den Ort fahren, den sie in drei Tagen
mit den Eltern und Kindern besuchen möchte. Sie wird den Weg abgehen und
sicherstellen, dass das Gelände sicher und für den Ausflug geeignet ist. Nach
dem Ausflug wird sie wie immer die Fotos, die sie an diesem Tag gemacht hat in
einem eigens dafür angelegten Ordner auf ihrem privaten Laptop zu Hause
speichern. Sie hat vor eine Mappe mit den Bildern in der Garderobe zur Ansicht
aufzustellen. Am Ende des Kindergartenjahres wird sie die Bilder auf eine CD
brennen und zum Andenken den Familien
übergeben. Viele solcher Arbeiten macht sie zu Hause an ihrem privaten Computer, im Regenbogenhaus
gibt es für alle Pädagoginnen nur einen veralteten PC. Um diese Arbeit dort zu
erledigen reicht die Vorbereitungszeit nicht aus und sie müsste Glück haben das
Gerät dann nützen zu können, wenn sie Zeit dafür hätte. Also macht sie das wie
viele andere kleinere und größere Arbeiten zur Vor- und Nachbereitung lieber zu
Hause bzw. in ihrer Freizeit, anders ginge es meist nicht. Die Zeit, die sie
dafür aufwendet wird ihr nicht abgegolten, es scheint normal zu sein, dass eine
„gute Kindergartenpädagogin“ das so macht und das wird vom Arbeitgeber nicht
hinterfragt oder honoriert.
Aber das ist nur ein Beispiel für die „besonderen“
Rahmenbedingungen unter denen Julia und ihre KollegInnen arbeiten müssen. Denn
neben dem Zeitmangel gibt es auch zu wenige finanzielle Mittel, eine beengte
räumliche Situation, zu viele Kinder pro Gruppe und keine mehrsprachigen
Fachkräfte, die im Regenbogenhaus so wichtig wären. Immer wieder haben Julia
und ihre KollegInnen diese Mängel aufgezeigt, sich an die pädagogische Leitung
der Kindergärten gewandt. Hin und wieder gibt es dann auch kleine
Verbesserungen. Wie zum Beispiel eine Senkung der Kinderzahl von 25 auf 20 pro
Gruppe, aber nur wenn es möglich ist (d.h. wenn nicht im letzten Moment oder
auch noch während des Kindergartenjahres kindergartenpflichtige Kinder
angemeldet werden) und nur in jenen Betrieben mit vielen mehrsprachigen
Kindern. Es gibt ab und zu Schritte, die in die richtige Richtung gehen, sagt Julia.
Aber unterm Strich sind die Arbeitsbedingungen noch immer belastend und gutes
Arbeiten ist nur mit sehr viel Aufwand und Energie möglich. Da verwundert es kaum,
dass Burnout in dieser Berufsgruppe immer wieder Thema ist.
Müde...
Als Julia den
Kindergarten um 17.00 h verlässt ist sie sehr müde und freut sich auf den
Spaziergang am See, bei dem sie das Angenehme mit dem Nützlichen – der
Erkundung des Weges für den bevorstehenden Ausflug – verbinden kann. Heuer wird
sie diesen Ausflug zum letzten Mal machen, es ist ihr letztes Arbeitsjahr vor
der Pensionierung.
„Irgendwie ist es schade, dass ich aufhöre. Ich weiß
ich könnte noch viel Gutes tun für die Kinder und ihre Eltern und ich weiß,
dass sie das auch brauchen würden. Aber für mich ist es auch gut aufzuhören.
Ich merke wie mich die Arbeit mehr und mehr auslaugt, unter diesen Bedingungen
ist es teilweise einfach schwer und sehr belastend. Ich möchte an dem Punkt
aufhören, an dem es sich noch richtig und gut anfühlt. Ich hoffe für meine
KollegInnen, dass sich bald etwas Grundlegendes ändert.“
Fahrgemeinschaften sollte man viel öfters nutzen. Sie sparen Geld und schonen die Umwelt. Zu schade, dass manch einer immer noch lieber alleine fährt als mit einer Fahrgemeinschaft. Dabei ist es ja ganz lustig neue Leute auf einer Strecke kennen zu lernen und sich mit ihnen zu unterhalten. Ich bin heuer auf diese Weise auch in den Winterurlaub gefahren. Hatte das Glück samt Gepäck, was ja beim Winterurlaub nicht wenig ist, mitgenommen zu werden. Und so hab ich etwas sparen können und mir dafür ein schönes Hotel in Salzburg nehmen können :)
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